Sehr erstaunt war ich als ich im Übergabebuch und auf dem Tourenplan den Vermerk las, ich solle den Patient mit einem Ulcus an der Ferse dreißig Minuten vor dem Hausbesuch anrufen, damit er vorher ohne Verband duschen könne. Ich rief nicht an, denn ich wollte die Hintergründe dazu wissen.
Bei meinem Eintreffen, hatte der Patient aber schon geduscht, den alten Verband abgemacht und eine Saugkompresse hingemacht.
Ich fragte ihn nach dem Sinn. Er meinte, der Arzt in der Wundsprechstunde hätte gemeint, die Wunde würde sich freuen auch mal Wasser zu sehen. Ich vereinbarte mit ihm, dass ich nachfrage.
Im Dienstzimmer, rief ich an, der Professor sei in einer OP. Wir vereinbarten, ich schreibe eine Mail.
Hallo,
wir übernehmen die Wundversorgung bei Hr. xxx geb. xx.xx.xxxx
Bei der letzten Wundsprechstunde am 10.04.24 sei ihm geraten worden die Wunde auszuduschen.
Ich sehe das kritisch, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Keime in die Wunde gelangen.
Laut gängiger Praxis sollen Wundspüllösungen immer steril sein. Im Notfall kann man auch Leitungswasser nutzen.
Im Fall von unserem Patienten liegt kein Notfall, sondern eine reguläre Versorgung vor.
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/ThemenAZ/W/Wundreinig.html
Da ich mir nicht sicher bin, ob unser Patient das korrekt verstanden hat, möchte die ich auf diesem Wege nachfragen, ob er die Anordnung so erhalten hat und falls zutreffend, welchem Zweck sie dient.
Freundliche Grüße
Sehr geehrter Herr Pfleger,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich kann sehr gut verstehen, dass Sie hier noch einmal nachfragen, da mein Vorschlag ohne Verband zu duschen, nicht den Empfehlungen der gängigen Leitlinien entspricht.
Mir geht es in erster Linie darum, dass unser Patient ganz normal ohne Verband duschen kann, um dem Bedürfnis der normalen Körperhygiene nachzukommen. Erst in 2. Linie dient das Duschen der Keimreduktion im Wundbereich. Wie Sie wissen, ist jede Wunde mit zahlreichen Bakterien besiedelt und ich habe in meiner fast 30-jährigen ärztlichen Tätigkeit und mehr als 20 Jahren intensiver Beschäftigung mit chronischen Wunden noch nie erlebt, dass durch das Duschen eine relevante bakterielle Superinfektion mit lokaler oder systemischer Entzündung aufgetreten ist. Ich bin persönlich intensiv bei der Entwicklung von interdisziplinären AWMF-Leitlinienempfehlungen involviert. Natürlich kann das Ausduschen von Wunden mit Leitungswasser nicht allgemeinen empfohlen werden, da niemand weiß wie die hygienischen Verhältnisse bei jedem Patienten zu Hause sind. Im Fall von unserem Patient habe ich allerdings keinerlei Bedenken. Nach dem Duschen sollte die Wunde allerdings z. B. mit Octenisept oder Serasept desinfiziert und dann verbunden werden. Ich würde vorschlagen, dass wir zunächst weiterhin Cutimed Sorbact und Saugkompressen verwenden. Falls die Cutimed Sorbact Wundauflage fest anhaftet, sollte sie mit Wasser oder Spüllösung abgelöst werden, um neu gebildete Hautzellen nicht wieder zu entfernen. Nach weiterer Stabilisierung bzw. Epithelisierung der Wunde kann diese gegebenenfalls auch nachts offen gelassen werden.
Bei meiner Empfehlung handelt es sich nicht um eine ärztliche Anordnung. Den Zweck meiner Empfehlung habe ich oben dargelegt. Wenn unser Patient bezüglich des Duschens ohne Verband Bedenken hat, können wir selbstverständlich bei der üblichen Spülung der Wunde mit steriler Flüssigkeit im Rahmen des Verbandswechsels bleiben.
Nochmals vielen Dank für Ihre Anfrage und die Betreuung unseres Patienten.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Wundarzt
Beim ersten Hausbesuch am 08.03.24 empfing mich unser Patient mit durchnässtem Wundverband, er war zuvor duschen. Ich wies ihn auf die Infektionsgefahr hin und zeigte ihm und seiner Frau wie sie mit haushaltsüblichen Dingen (Tüte + Frischhaltefolie) einen Nässeschutz selbst herstellen können.
Im Rahmen der Wundversorgung haben wir den betroffenen Fuß mit Octenisept und Kompresse gereinigt, mit anschließender Hautpflege.
Unser Patient ist in seiner Häuslichkeit überwiegend barfuß unterwegs. Die hygienischen Bedingungen würde ich als „normal“ bezeichnen.
Nach einer Abwägung von Nutzen und Risiko werden wir als Pflegeteam unserem Patienten abraten die Wunde mit der Duschbrause auszuduschen.
Freundliche Grüße
Wir haben das im Team besprochen, zeitgleich kam von einem Praxiskollegen eine Mail in der er dringendst vom Ausduschen der Wunde abgeraten hat.
Wir sind offen für neue Vorgehensweisen und probieren auch mal was aus. Jedoch sind uns hier die Risiken zu hoch. Bei einem anderen Patienten, hatten wir eine Pseudomonasinfektion, die nur mühsam behandelt werden konnte und den Heilungserfolg der Wunde sehr verlangsamt hat.
Dem Patient habe ich den Mailverlauf gegeben, er hatte das als Anordnung verstanden und wird sich daran halten die Wunde nicht auszuduschen.
Was denkt ihr? Ausduschen ja/ nein / unter Umständen ja